»Sei leise, Ron!«, flusterte Hermine eindringlich.»Fudge wird sicher gleich kommen -«

»Er – will – einfach – nicht – dableiben -«

Kratze hatte offensichtlich Hollenangst. Er straubte sich mit aller Kraft und versuchte aus Rons Griff zu entkommen.

»Was ist eigentlich los mit ihm -?«

Doch Harry hatte es schon gesehen – etwas schlich auf sie zu, den Korper an den Boden geschmiegt, die weit aufgerissenen gelben Augen gespenstisch in der Dunkelheit glimmend – Krummbein. Ob er sie sehen konnte oder nur Kratzes Quieken folgte, wu?te Harry nicht zu sagen.

»Krummbein!«, stohnte Hermine,»nein, Krummbein, hau ab!«

Doch der Kater kam naher.

»Kratze – nein!«

Zu spat – die Ratte entglitt Rons Fingern, fiel zu Boden und raschelte davon. Mit einem gewaltigen Sprung setzte ihr Krummbein nach, und bevor Harry oder Hermine auch nur die Hand ruhren konnte, warf Ron den Tarnumhang ab und rannte ihnen hinterher in die Dunkelheit.

»Ron!«, seufzte Hermine.

Harry und Hermine sahen sich kurz an, dann sturzten auch sie los; richtig rennen konnten sie nicht unter dem Tarnumhang, und so warfen sie ihn ab und lie?en ihn hinter sich herflattern wie eine Fahne. Vor sich horten sie das schnelle Getrommel von Rons Fu?en.

»La? ihn in Ruhe – hau ab – Kratze, komm hierher -«

Es gab einen dumpfen Aufschlag.

»Hab ich dich! Hau ab, du stinkender Kater -«

Fast waren Harry und Hermine uber Ron gestolpert. Er lag rucklings auf dem Boden, doch Kratze war wieder in seiner Tasche; mit beiden Handen druckte er fest auf die zitternde Beule.

»Ron – komm jetzt – zuruck unter den Umhang -«, keuchte Hermine.»Dumbledore – und der Minister – sie kommen sicher gleich hier lang -«

Doch bevor sie sich wieder tarnen konnten, ja bevor sie wieder zu Atem kamen, horten sie das leise Trommeln riesiger Pfoten… etwas kam auf sie zugesprungen, stumm wie ein Schatten – ein riesiger, fahlaugiger, rabenschwarzer Hund.

Harry griff nach dem Zauberstab, doch zu spat – der Hund hatte einen gewaltigen Sprung gemacht und stie? mit den Vorderpfoten gegen Harrys Brust; unter einem Wirbel von Haaren sturzte er zu Boden; er spurte den hei?en Atem des Hundes uber sich, sah seine fingerlangen Zahne -

Doch die Schnellkraft seines Sprungs lie? den Hund uber Harry hinwegrollen; Harry hatte das Gefuhl, samtliche Rippen waren ihm gebrochen; ganz benommen wollte er sich aufrichten, doch er horte, wie sich der Hund knurrend zu einem neuen Angriff bereitmachte.

Ron war inzwischen auf den Beinen – wieder setzte der Hund zum Sprung an, doch diesmal stie? er Harry nur beiseite – und sein Maul klammerte sich um Rons ausgestreckten Arm; Harry warf sich auf ihn und packte eine Hand voll Fellhaare, doch das Untier zerrte Ron mit sich fort, so muhelos, als ware er eine Stoffpuppe -

Dann, aus dem Nichts, schlug Harry etwas so heftig ins Gesicht, da? er wieder den Boden unter den Fu?en verlor. Auch Hermine schrie vor Schmerz und er horte sie sturzen.

Harry tastete nach seinem Zauberstab -

»Lumos!«, flusterte er.

Das Licht des Zauberstabs fiel auf den dicken Stamm eines Baumes; sie hatten Kratze in den Schatten der Peitschenden Weide verfolgt, deren Zweige achzten, als herrsche Sturm, peitschend schlugen sie aus und verwehrten ihnen jeden weiteren Schritt auf sie zu.

Und dort, unten am Fu? des Baumstamms, war der Hund. Er zerrte Ron fort, hinein in eine gro?e Erdspaltezwischen den Wurzeln – Ron wehrte sich verzweifelt, doch schon war sein Kopf verschwunden -

»Ron!«, rief Harry und versuchte ihm zu folgen, doch ein kraftiger Zweig peitschte ihm todbringend entgegen und er mu?te zuruckweichen.

Jetzt war nur noch Rons Bein zu sehen, mit dem er sich an einer Wurzel festgehakt hatte, um nicht weiter in die Tiefe gezerrt zu werden – doch ein furchterliches Knacken durchschnitt die Luft wie ein Gewehrschuss; Rons Bein war gebrochen und schon war sein Fu? verschwunden.

»Harry – wir mussen Hilfe holen -«, keuchte Hermine; auch sie blutete; die Peitschende Weide hatte ihr die Schulter aufgerissen.

»Nein!«, sagte Harry und wollte Ron nachsturzen, doch wieder surrte ein dicker Zweig durch die Luft und er konnte sich gerade noch rechtzeitig wegducken.»Dieser Koter ist gro? genug, um ihn zu fressen, wir haben nicht die Zeit -«

»Harry – ohne Hilfe kommen wir nie durch -«

Wieder schlug ein Ast nach ihnen aus, die kleinen Zweige geballt wie Fauste.

»Wenn dieser Koter dort reinkommt, dann kommen wir auch rein«, keuchte Harry. Immer wieder wollte er unter den Baum vorsto?en, doch er kam keinen Schritt naher an die Wurzeln, ohne sich den Hieben seiner Zweige auszusetzen.

»Oh, Hilfe, Hilfe«, flusterte Hermine verzweifelt und tanzelte ratlos auf der Stelle,»bitte…«

Pfeilschnell scho? Krummbein an ihnen vorbei. Wie eine Schlange wich er den Hieben der Weide aus und setzte dann die Vorderpfote auf einen Knoten am Baumstamm.

Sofort erstarrte der ganze Baum, als ware er zu Stein geworden. Kein Zweig ruhrte sich, kein Blatt zitterte.

»Krummbein!«, flusterte Hermine argwohnisch. Sie klammerte sich so fest an Harrys Arm, da? es wehtat.»Woher wu?te er das -?«

»Er ist mit diesem Hund befreundet«, sagte Harry grimmig.»Ich hab sie zusammen gesehen. Komm – und halt deinen Zauberstab bereit -«

Im Handumdrehen waren sie beim Baumstamm, doch bevor sie den Spalt zwischen den Wurzeln erreicht hatten, war Krummbein schon hineingesprungen. Sie sahen nur noch seinen Schwanz, kraftig wie eine Flaschenburste, vor ihnen herwedeln. Harry folgte ihm; mit dem Kopf voran krabbelte er hinein, glitt eine Erdrutsche hinunter und landete auf dem Boden eines sehr niedrigen Tunnels. Ein paar Meter vor ihm blitzten Krummbeins Augen im Licht seines Zauberstabs. Sekunden spater kam Hermine runtergeschlittert und landete neben ihm.

»Wo ist Ron?«, flusterte sie angstlich.

»Da lang«, sagte Harry und folgte Krummbein mit gebeugtem Rucken.

»Wohin fuhrt dieser Tunnel?«, keuchte Hermine hinter ihm.

»Ich wei? nicht… er ist auf der Karte des Rumtreibers eingezeichnet, aber Fred und George glauben, hier sei noch keiner reingekommen… die Karte zeigte nicht, wo er endet, aber es sah so aus, als wurde er nach Hogsmeade fuhren…«

Tief gebuckt liefen sie, so schnell sie konnten; immer wieder erhaschten sie einen Blick auf Krummbeins Schwanz. Der Geheimgang schien nicht enden zu wollen; er kam Harry so lang vor wie der zum Honigtopf. Er dachte nur noch an Ron und stellte sich vor, was der Riesenhund mit ihm anstellen konnte… er rannte weiter, die Hande fast auf dem Boden, erschopft um Luft ringend…

Endlich begann der Tunnel anzusteigen; kurz darauf ging es in eine Biegung und Krummbein war verschwunden.

Doch jetzt konnte Harry einen schwachen Lichtfleck erkennen, der durch eine kleine Offnung fiel.

Die beiden hielten inne und rangen nach Atem, dann drangen sie weiter vor. Sie hoben ihre Zauberstabe, um zu sehen, was hinter der Offnung lag.

Es war ein Zimmer, wust und staubig. Die Tapeten schalten sich von den Wanden; – der ganze Fu?boden war mit Flecken bedeckt; alle Mobel waren kaputt, als ob sie jemand zertrummert hatte. Die Fenster waren mit Brettern vernagelt.

Harry warf Hermine einen Blick zu. Sie schien verangstigt, nickte aber.

Harry zog sich nach oben aus dem Loch und schaute sich um. niemand war in diesem Raum, doch zur Rechten stand eine Tur offen, die in einen dusteren Flur fuhrte. Plotzlich packte Hermine Harrys Arm. Ihre aufgerissenen Augen wanderten uber die vernagelten Fenster.

»Harry«, flusterte sie,»ich glaub, wir sind in der Heulenden Hutte.«

Harry sah sich um. Sein Blick fiel auf einen Stuhl neben ihnen. Holzstucke waren rausgerissen worden; ein Stuhlbein war abgerissen.

»Das waren keine Gespenster«, sagte er langsam.

In diesem Augenblick knarrte es uber ihren Kopfen. Im oberen Stockwerk hatte sich etwas bewegt. Sie blickten zur Decke. Hermine hatte sich so fest an Harrys Arm geklammert, da? seine Finger taub wurden. Er hob die Augenbrauen und sah sie an; sie nickte ihm zu und lie? ihn los.